Adelheid Popp

A02 Adelheid Popp - 1Gruppe 63, Reihe 2 – Nummer 24
Geb.: 11.02.1869 (geb. Dworzak), Wien – Verst.: 07.03.1939, Wien

Sie als energische, begabte und sehr beliebte Agitatorin bekannt. Gabriele Proft beschrieb sie in „reiferen Jahren“ als „lebensfrohe Frau“, die ihre Lebenslust trotz der persönlichen Schicksalsschläge nicht verloren habe. In allen Erinnerungen wurde sie als „hinreißende Rednerin“ bezeichnet. Ihre zahlreichen Publikationen und vor allem ihre autobiographische Schrift „Jugend einer Arbeiterin“, die 1909 erschien und in viele Sprachen übersetzt wurde, machten A. P. zur populärsten Sozialdemokratin der ersten Politikerinnengeneration in Österreich.

Vater: Weber (+1875);
Schwager Wilhelm P., Theaterdirektor und Schauspieler (Kimpling, OÖ, 26.6.1863 – Wien, 22.9.1925);
jüngstes von 15 Kindern, vier überlebende Geschwister, mußten der Mutter helfen, den Lebensunterhalt zu verdienen; die Mutter, die mit Adelheid ein Kabinett in Untermiete bewohnte, begegnete dem Engagement ihrer Tochter zuerst mit großem Argwohn. Victor Adler, August Bebel und Friedrich Engels überzeugen sie von der Wichtigkeit desselben.

Bildungsweg: 1876-79 Volksschule

Beruf: Schriftstellerin

Beruflicher Werdegang (Kurzfassung)

  • Bücher und Broschüren
  • Veröffentlichung zahlreicher Artikel
  • Redakteurin der 1892 gegründeten „Arbeiterinnen-Zeitung“
  • Arbeiterin in einer Korkfabrik
  • Tätigkeit in einer Fabrik für Bronzeerzeugnisse 1883
  • Bereits mit acht Jahren berufstätig

Lebensgeschichte von Adelheid Popp (Langfassung)

A. P. arbeitete ab dem achten Lebensjahr, ab dem zehnten Lebensjahr Dienstmädchen und Näherin, ab 1883 als Fabriksarbeiterin erst in einer Fabrik für Bronzeerzeugnisse, dann in einer Korkfabrik.

Mit 13 Jahren erkrankte sie schwer, verbrachte einige Zeit im Spital und kam dort – nach eigenen Angaben – erstmals zur Ruhe. Durch einen Kollegen ihres Bruders kam sie mit sozialdemokratischen Ideen in Berührung, ab diesem Zeitpunkt las sie sozialdemokratische Zeitungen statt Unterhaltungsliteratur und begann mit aktiver Propaganda. Zu ihrer ersten politischen Versammlung in einem Gasthaus nahm sie im Dezember 1889 ihr Bruder mit, sie war die einzige Frau dort.

A03 Adelheid Popp - 21889 wurde sie Mitglied des Wiener Arbeiterinnen-Bildungsvereins, Wahl in den Vorstand. Führende Sozialisten begannen sich für sie zu interessieren, u.a. Reumann, Engels, Bebel und Viktor Adler.
Ab 1890 sprach A. P. auf vielen Versammlungen in allen Teilen der Monarchie. Im Oktober 1892 wurde sie Redakteurin der sozialdemokratischen Arbeiterinnen-Zeitung, was die Basis für ihre dominante Stellung innerhalb der sozialdemokratischen Frauenorganisationen bildete. Emma Adler, die Frau Victor Adlers, gab ihr Sprach- und Schreibunterricht.
Seit 1892 bis 1933 Teilnahme an allen Parteitagen der Sozialdemokraten (außer 1901, als die Geburt ihres Sohnes Felix kurz bevorstand), auf den von den Frauenorganisationen in den Jahren 1896 und 1897 boykottierten formulierte sie die Kritik, auf den restlichen Parteitagen meldete sie sich regelmäßig zu Wort;

1892

Gründung der Arbeiterinnen-Zeitung mit der 23jährigen Adelheid Popp als verantwortliche Redakteurin. (1)

1893

1893 Mitgründerin des Lese- und Diskutierklubs Libertas, Vorstand des Bildungsvereins Wien-Meidling, etwas später des Arbeiter-Bildungsvereins von Wien-Rudolfsheim; gemeinsam mit Charlotte Pohl-Glas und Amalie Ryba (Seidel) Organisation der ersten sozialdemokratischen Frauenversammlung;

  • Am 3. Mai kommt es auf der Ferdinandswiese in Wien-Meidling zum ersten organisierten Frauenstreik durch Arbeiterinnen dreier Appreturfabriken in Gumpendorf; er ging als „Streik der 700“ als erster selbständiger Arbeiterinnenstreik in die Geschichte ein; die siebzehnjähfige Amalie Ryba (Seidel) führt den Streik an, Adelheid Popp spricht zu den streikenden Frauen; nach dreiwöchiger Dauer und unter mit zahlreichen Solidaritätsbekundungen (Spenden) wird der Streik siegreich beendet (Feier in der „Gumpendorfer Bierhalle“)
  • 10. Juli: sozialdemokratische Wahlrechtsversammlung im Arkadenhof des Wiener Rathauses: Adelheid Popp wird als Rednerin bestimmt und sie fordert das Frauenwahlrecht
  • im August 1893 anläßlich einer Gewerbeenquete erstmals Rede in Parlament;
  • Vertretung der österreichischen Sozialdemokratinnen auf den Tagungen der Sozialistischen Internationale seit dem dritten Kongreß 1893 in Zürich; auf der Frauenreichskonferenz;
  • Am 1. Oktober 1893 kommt es in der Penzinger Au zur ersten sozialdemokratischen Frauenwahlrechtsversammlung: Adelheid Popp hat den Vorsitz und fordert das aktive und passive Wahlrecht aller Staatsbürger ohne Unterschied des Geschlechts; Lotte Pohl und Amalie Seidel halten Vorträge – sie werden beide angeklagt: Lotte Pohl wird beschuldigt, die „Ehrfurcht vor Mitgliedern des kaiserlichen Hauses verletzt“ zu haben und zu vier Monaten schweren Kerkers verurteilt (das Urteil wird bei einer weiteren Verhandlung aufgehoben); Amalie Seidel wird zu drei Wochen Arrest verurteilt.

Sie forderte bereits am Parteitag 1896 eine Form der Quotenregelung.

1898 in das dort gegründete Frauenreichskomitee, später Frauenzentralkomitee, gewählt;

Funktionen von Adelheid

  • 1904-1933 Mitglied des Parteivorstandes;
  • Parteifunktionärin SDAP: 1898-1934 Vorsitzende des sozialistischen Frauenreichskomitees,
  • 1901 Vorstand des Vereins der Heimarbeiterinnen von Wien-Ottakring,
  • seit 1907 Mitglied des Internationalen Sozialdemokratischen Frauenkomitees,
  • 1916 ihre Vorsitzende;
  • 1915 (1893 ÖBL)-1934 Redakteurin der 1892 gegründeten „Arbeiterinnen-Zeitung“,
  • Vorsitzende des internationalen sozialistischen Frauenkomitees; bei den Friedenskundgebungen im Jänner und Februar 1917 in Wien neben Therese Schlesinger die einzige Rednerin;
  • am 11. November 1917 bei der Feier zum Sieg der Russischen Revolution im Konzerthaussaal sprach sie als einzige Frau;
  • 1926 Frauenvertreterin in der Exekutive der sozialistischen Arbeiterinternationale;
  • 1918-1923 Mitglied des Wiener Gemeinderates, bei der Wahl zur konstituierenden Nationalversammlung zählte ihr Mandat trotz ihrer leitenden Position nicht zu den vornherein sicheren, trotzdem zog sie als eine der ersten weiblichen Abgeordneten ins Parlament ein;
  • 4.3.1919 – 9.11.1920 Abgeordnete der SdP in der konstituierenden Nationalversammlung,
  • 10.11.1920 – 1.10.1930 Abgeordnete zum Nationalrat (I.-III. GP) SdP,
  • 2.12.1930 – 17.2.1934 Abgeordnete zum Nationalrat (IV. GP) SdP,
  • Vorstand des Theatervereins Freie Volksbühne;
  • Referentin und Diskutantin am vierten Kongreß der Weltliga für Sexualreform vom 16. – 23. September 1931 in Wien;
  • nach dem Ersten Weltkrieg forderte A. P. die Neubelebung der sozialistischen Arbeiterinternationale;
  • 1933 schied sie aus gesundheitlichen Gründen aus dem sozialdemokratischen Parteivorstand aus.
  • Während des Aufstandes des Republikanischen Schutzbundes im Februar 1934 befand sich A. P. im Spital und entging so der Verhaftung.

Ab 1934 lebte sie zurückgezogen in Wien.

Ihr politisches Wirken

1899 verlangte sie, pro Wahlkreis eine Delegierte für die Parteitage aufzustellen. Das obligatorische Delegierungsrecht von Frauen wurde 1912 beschlossen. Sie war maßgeblich an der Vorbereitung der ohne Absprache mit Parteivertretung und Gewerkschaftskomission einberufenen Frauen-Reichskonferenz zu Ostern 1898 beteiligt. Am Parteitag 1899 in Brünn referierte sie zur „Frauenbewegung“ und 1909 in Reichenberg zum Punkt „Sozialversicherung“. Auf der Konferenz der Sozialistischen Fraueninternationale 1910 in Kopenhagen war sie maßgeblich am Zustandekommen des Beschlusses beteiligt, jährlich einen Internationalen Frauentag abzuhalten.

Mitbegründerin der sozialdemokratischen Frauenbewegung Österreichs, sprach sich bei der Versammlung des „bürgerlichen Frauenstimmrechtskomitees“ Das Vereinsrecht und die Frauen Anfang des 20.Jahrhunderts für die Neugestaltung des Vereinsrechts aus, „für das Frauenwahlrecht … (sei es) … jedoch noch zu früh“. In den Auseinandersetzungen innerhalb der Sozialdemokratie im 1. WK zählte A. P. zu den Gemäßigten, die 1916 noch nicht für eine offensive Friedenspolitik eintraten.

Am Parteitag 1917 zählte sie nicht zu den Unterzeichnerinnen der „Erklärung der Linken“ und als Redakteurin verhinderte sie das Erscheinen kritischer Artikel – etwa zum Parteiaustritt Clara Zetkins – in der Arbeiterinnen-Zeitung.

Nach dem Ersten Weltkrieg bemühte sie sich um die Wiederbelebung der Fraueninternationale.

Im Parlament war A. P. vor allem bei den Gesetzesvorlagen zur Frauenthemen, welche von der SDAP eingebracht wurden, federführend beteiligt: von der Eherechtsreform über die Liberalisierung der Abtreibungsparagraphen bis zur lohnmäßigen Gleichstellung. Darüber hinaus beantragte sie u.a. das Hausgehilfengesetz vom 26.2.1920 samt Novelle vom 26.3.1926 (Abschaffung der Dienstbotenordnung von 1808), sonst aktiv auf dem Gebiet des Familienrechtes und des Strafgesetzes (hier Gesetzesvorlage zur Milderung der § 144 bis 148).

Politische Mandate

  • Abgeordnete zum Nationalrat (IV. GP), SdP – 02.12.1930 – 17.02.1934
  • Abgeordnete zum Nationalrat (I.–III. GP), SdP – 10.11.1920 – 01.10.1930
  • Mitglied der Konst. Nationalversammlung, SdP – 04.03.1919 – 09.11.1920

Politische Funktionen

  • Mitglied des Wiener Gemeinderates 1918–1923
  • Mitglied des Arbeiterinnen-Bildungsvereins 1889
  • Mitglied des sozialdemokratischen Frauenreichskomitees 1898

Ehrungen

 

  1. Sie ist in einem ehrenhalber gewidmeten Grab auf dem Wiener Zentralfriedhof (Gruppe 63, Reihe 2, Nr. 24) bestattet.
  2. 1949 wurde die städtischen Wohnhausanlage Possingergasse-Herbststraße in Wien-Ottakring in Adelheid-Popp-Hof benannt.
  3. 1992 wurde in Linz der Adelheid-Popp-Weg nach ihr benannt, dieser liegt im Stadtteil Auwiesen und verbindet die Halle- mit der Kreiskystraße.
  4. 2011 wurde die Parkanlage im Bereich Geblergasse (gegenüber Nr. 74-78) in Wien 17 nach ihr benannt.
  5. 2011 wurde in Wien Donaustadt (22. Bezirk) die Adelheid-Popp-Gasse nach ihr benannt.

 

Veröffentlichungen:

Mit der anonymen Veröffentlichung ihrer Kindheitserinnerungen „Die Jugendgeschichte einer Arbeiterin“ (1909) motivierte sie viele Arbeiterfrauen, sich der Sozialdemokratie anzuschließen. Schon im Erscheinungsjahr wurde das Buch dreimal aufgelegt, es folgten zahlreiche weitere Auflagen und Übersetzungen in viele europäische Sprachen. Zu P.s weiteren Veröffentlichungen zählen „Frauenarbeit in der kapitalistischen Gesellschaft“ (1922) und „Der Weg zur Höhe.

Ihre Werke in der ÖNB

(1) Zukunft 2/2014 – Wirklich tüchtige und würdige Genossinnen – Seite 16

 

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