Jüdischer Friedhof in Ybbs

Während einer Radtour sind wir im April 2015 auf den Jüdischen Friedhof in der Nähe von Ybbs gestossen.

Die „Cultusgemeinde Ybbs“ kaufte 1889 ein Grundstück in Ybbs an der Donau, Göttsbach, gründete zum 1. Jänner 1892, entsprechend dem Israelitengesetz von 1890, die Israelitische Kultusgemeinde Ybbs, und errichtete 1894 den Jüdischen Friedhof Ybbs, mit Friedhofsmauer und Zeremonienhalle.

Der Friedhof wurde während des 2. Weltkrieges im Jahr 1944 geschändet. Unter der Leitung eines SA-Sturmführers wurden etwa 300 Grabsteine entfernt und an eine Steinmetzfirma in Amstetten verkauft. Diese lagerte die Grabsteine in einer Scheune in Viehdorf. Nach langwierigen Verhandlungen und vielen eingebrachten und zurückgezogenen Klagen wurden um das Jahr 1961 rund 100 noch vorhandene Grabsteine von der Steinmetzfirma wieder herausgegeben und zum Friedhof nach Ybbs transportiert, wo sie von der Israelitischen Kultusgemeinde Wien wieder aufgestellt wurden.

Mangels genauer Kenntnis ihres früheren Aufstellungsortes wurden die aufgefundenen Grabsteine in einer Doppelreihe im Zentrum des Friedhofes wieder aufgestellt. (1)

Es gibt Pläne, den Jüdischen Friedhof als Gedächtnisstätte zu reaktivieren. So soll die Zeremonienhalle wieder in den ursprünglichen Zustand geführt werden und es sind Investitionen soweit angedacht, als sie für eine Gedächtnis- und ev. Ausstellungsstätte Sinn ergeben. Derzeit (Juli 2011) steht das Projekt alledings still, weil die Verteilung der Kosten noch nicht klar ist.

Die Höhere Bundeslehranstalt Franciso-Josephinum in Wieselburg betreibt im Einvernehmen mit der Israelitischen Kultusgemeinde Wien und der Stadtgemeinde Ybbs sowie in Partnerschaft mit der Handelsakademie Ybbs und der Höheren Technischen Lehranstalt Břeclav (Lundenburg) (Tschechien) das fächer- und länderübergreifende Schulprojekt „Die jüdische Gemeinde und der jüdische Friedhof Ybbs – Juden im niederösterreichischen Mostviertel“.

Projektziele sind u.a. die Instandsetzung der Friedhofsanlage in Ybbs, die Erstellung einer Mitgliederkartei der IKG Ybbs/Amstetten, die Rekonstruktion der verlorenen Standesbücher, die Errichtung einer Gedenktafel auf dem Friedhof in Ybbs, Kontakte zu verschiedenen jüdischen Gemeinden im In- und Ausland und eine Präsentation der Projektarbeit im festlichen Rahmen.

Unter dem Motto „Reconciling is: not to forget” startete 2002 die praktische Projektarbeit des 5BL-Jahrganges im Francisco-Josephinum Wieselburg mit der Säuberung und Neubeschriftung der Grabsteine auf dem jüdischen Friedhof Ybbs/Göttsbach.


 

Personen, die in der Gedenkstätte wegen ihres zivilen Mutes für die Unterstützung der jüdischen Bevölkerung extra erwähnt werden.

Hilde PötschHilde Pötsch: 1898-1980
Gedenktafel an der Friedhofsmauer in Göttsbach – Gastgeberin in Randegg Neumühle. Sie beherbergte jüdische Gäste.

 

 

Franz SitterFranz Sitter

Der Krankenpfleger Franz Sitter wurde am 6.2.1902 in Winterberg geboren. Völlig überraschend wurde Franz Sitter im Oktober 1940 von zwei Herren in Uniform gefragt, ob er bereit sei, sich „notdienstverpflichten“ zu lassen, um beim Transport und Verlegungen von Geisteskranken zu helfen. Überrascht sagte Sitter seine Mitarbeit zu. Er unterschrieb die für Hartheim geltende sogenannte „Schweigeerklärung“.  Ihm wurde der Zweck der Anstalt, nämlich die Vergasung von Geisteskranken, bewusst. Denn er wurde bald nicht nur als Begleiter bei den Transporten eingesetzt, sondern musste auch bei der Entkleidung der Opfer helfen und Etiketten für Urnen anfertigen.

Sitters Gewissen rebellierte gegen diese Ungeheuerlichkeit. Er ersuchte um die sofortige Enthebung von seiner Dienstverpflichtung. Er meldete sich beim ärztlichen Leiter der Anstalt, Dr. Lonauer, und forderte „seine sofortige Zurückversetzung in die Heil- und Pflegeanstalt Ybbs“. 1947 stellte das Volksgericht Linz fest, dass Franz Sitter nichts mit den Morden in Hartheim zu tun hatte. Er war der Einzige von acht Pflegerinnen und drei Pflegern, der seinen „Dienst“ dort aus Gewissensgründen glattweg verweigerte. (3)

Theresia PragerTheresia Rager

1882-1973, Rentnerin in Feichsen bei Purgstall
Verspottete das NS-Regime mit einem Schmähgedicht.
Gerechter unter den Völkern ist ein in Israel nach der Staatsgründung 1948 eingeführter Ehrentitel für nichtjüdische Einzelpersonen, die unter nationalsozialistischer Herrschaft während des Zweiten Weltkriegs ihr Leben einsetzten, um Juden vor der Ermordung zu retten.

 

Franz GüttlerFranz Güttler

Gedenktafel an der Friedhofsmauer in Göttsbach
Der Krankenhausverwalter Güttler Franz, seine Tochter Inge Kanizsai Nagy, eine Ärztin und die Töchter des „Göttlichen Heilands“, die Pförtnerin S.M. Orlanda Dittinger und die Köchin S.M. Vinarda Herman BEWAHRTEN in der Typhusbaracke im Krankenhaus Melk 8 jüdische Ungarn vor dem Massaker in Persenbeug.

 

Leder ErwinErwin Leder
Leder war als Angehöriger der Deutschen Wehrmacht in den Jahren 1941 – 42 Standortarzt in Sluzk, 8o km südlich von Minsk und als ärztlicher Oberoffizier auch für das dortige Kriegsgefangenenlager mit etwa 15.000, zeitweise 25.000 bis 30.000 Häftlingen verantwortlich.
Durch das Schmuggeln von Medikamenten und ärztlicher Ausrüstung, sowie von Nahrungsmitteln in das nahe Ghetto von Sluzk sowie das Verraten einer bevorstehenden deutsch-litauischen Kommandoaktion zur Liquidierung desselben, bei welcher kurz darauf etwa 5.000 Menschen getötet wurden, konnte er vielen Ghettobewohnern zum Überleben und insbesondere Jüngeren unter ihnen rechtzeitig zur Flucht verhelfen. Er im November 1942 unter Beförderungssperre in eine Strafdivision an die Front versetzt, wurde 1945 schwer verwundet, überlebte jedoch glücklicherweise. (4)

Am 7. September 2005 gewährte die Gemeinde Zelking-Matzleinsdorf für die Revitalisierung des Friedhofs eine Unterstützung €100.-(2)


Quellennachweis:

(1) Geocaching – GC2XT26
(2) Protokoll der Gemeinderatssitzung
(3) Gerechter der Pflege
(4) letter to the stars

 

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